Vorbeugen statt Heilen - Strategien zur Vermeidung von Schabenköder-Aversionen
Der zuerst wahrgenommene Nachteil der Schabengelköder, nämlich die im Vergleich zu Spritzbehandlungen langsamere Anfangswirkung (Hydramethylnon, der erste verwendete Wirkstoff war nicht bekannt als der schnellste Wirkstoff) wurde rasch akzeptiert - zu vielfältig waren die Vorteile der neuen Bekämpfungsmethode.
Ein Artikel von Dr. Volker Gutsmann (Envu Global Product Development Manager)
Schabengele überzeugen mit vielfältigen Vorteilen
Die Applikation des Gelköders konnte tagsüber durchgeführt werden, somit waren nächtliche Sprüharbeiten nicht mehr notwendig. Anwendungen wurden schneller durchgeführt und sensitive Bereiche mussten nicht mehr abgedeckt werden. Auch konnten bei ordnungsgemäßem Einsatz Schabenprobleme dauerhaft beseitigt werden - basierend auf der Fähigkeit der Ködergele, mehrfach abtöten zu können. Der primäre Effekt ist natürlich das Abtöten der Insekten, die direkt den Köder aufgenommen haben. Da diese vergifteten Insekten in die Verstecke zurückkehren, dort Kot absetzen und verenden, können auch Stadien, die einen kleinen Aktionsradius aufweisen, eliminiert werden. Dieses Phänomen ist auch als Domino-Effekt bekannt.
Köder-Aversion in den USA und Ursachenforschung
Nach 10 Jahren des intensiven Gebrauchs wurde Ende der Neunzigerjahre in den USA in eine auf den ersten Blick seltsame Beobachtung getätigt. Befälle mit Deutschen Schaben konnten nicht mehr kontrolliert werden. Nach anfänglichen Zweifeln an der Qualität der Behandlung und der eingesetzten Produkte stellte sich aber heraus, dass Anwendung und Mittel einwandfrei gewesen waren. Sofort konzentrierten sich Wissenschaftler auf die Möglichkeit von Wirkstoffresistenzen. Da aber viele Produkte mit unterschiedlichsten Wirkstoffen wie Fipronil, Imidacloprid und Hydramethylnon betroffen waren, konnte auch diese Möglichkeit ausgeschlossen werden. Anfangs waren diese Beobachtungen sporadisch, aber im Laufe der Zeit breitete sich das Phänomen von Puerto Rico, Florida, Texas bis nach New York aus.
Hersteller, Universitäten und Schädlingsbekämpfungsfirmen taten sich zusammen, Feldstämme wurden gesammelt und analysiert. Langsam stellte sich heraus, dass das Problem eher im Verhalten der Schaben als in Resistenzen zu suchen war. Genauer gesagt, manche Deutsche Schaben entwickelten wohl eine "Abscheu" gegenüber bestimmten Inhaltsstoffen der Schabenköder. Zuerst wurden Schabenstämme isoliert, die eine starke Abneigung gegen Einfachzucker wie Glukose zeigten. Glukose ist normalerweise ein begehrtes Nahrungsmittel für Schaben und wurde deshalb in fast alle Kader eingearbeitet. Im Normalfall haben Stämme, die auf eine so energiereiche Kost verzichten, einen Nachteil im Überlebenskampf. Aber wenn, wie in Gelködern, Glukose zusammen mit einem insektiziden Wirkstoff ausgebracht wird, wandelt sich dieser Nachteil plötzlich zum Vorteil: den Vorteil zu überleben, statt zu sterben! Die nun überlebenden Schaben vermehrten sich und da die Köderaversion genetisch verankert ist, konnten sich ganze Feldpopulationen entwickeln, die mit konventionellen Gelen nicht mehr bekämpft werden konnten. Interessanterweise konnte im Verlauf der Untersuchungen auch festgestellt werden, dass nicht nur Glukose Aversionen auslösen kann, sondern auch Fruktose und sogar andere oft eingesetzte Inhaltsstoffe wie Polyethylenglykol. Eine gewisse Erleichterung stellte sich ein, da dieses Phänomen wohl auf Deutsche Schaben beschränkt ist, und bisher nicht bei Amerikanischen und Orientalischen Schaben nachweisbar ist. Herstellerfirmen mit Forschungsaktivitäten reagierten als erstes und optimierten die Köderzusammensetzung ihrer Produkte. So ersetzte Bayer CropScience in den USA Maxforce® FC durch Maxforce® Select im Jahr 2004 und die Sorge um Köderaversion war Geschichte.
Stand in Europa
Viele europäische Schädlingsbekämpfer fragten sich, ob diese Situation auch in Europa auftreten kannte oder sogar schon existiert. Bis heute liegen aber keine wissenschaftlich fundierten Hinweise vor, dass sich in Europa Schabenstämme mit veränderten Verhaltensweisen etabliert haben. Verzögerte Köderannahme wurde zwar sporadisch berichtet, aber der Beweis, dass dies auf Köderaversion beruht, steht nahezu aus. Über Grunde, warum Köderaversionen in Europa noch nicht flächendeckend auftreten, kann nur spekuliert werden. Eventuell liegt dies an den in Europa und USA verschiedenen Applikationsweisen. Im Vergleich zu Europa wurden und werden in den USA Ködergele sehr stark überdosiert. Natürlich ist eine geringe Überdosierung generell bei Ködern nicht verkehrt, aber die Erzeugung von großen Mengen an überflüssigen Köderablagerungen, die jahrelang vor Ort vorhanden bleiben, mag an der Entstehung von Köderaversion beteiligt sein. Es lässt sich also nicht ausschließen, dass Köderaversionen in Europa in der Zukunft ein Problem darstellen. Envu ist sicher, dass es besser ist vorzubeugen und dazu eine Lösung anzubieten.
Strategie zur Vorbeugung: Rotation
Die schädlichste Verhaltensweise, um Resistenzen zu fördern, ist der Gebrauch desselben Insektizids über einen langen Zeitraum. Je länger ein einzelnes Produkt im Gebrauch ist, desto höher ist die statistische Wahrscheinlichkeit, dass Insekten lernen damit umzugehen. Um die Wahrscheinlichkeiten von Resistenzen zu verringern, wurde das Konzept der Rotation erst in der Landwirtschaft und dann auch in der Schädlingsbekämpfung eingeführt.
Maxforce® Platin von Envu ist eine wertvolle Option für dieses moderne Produktrotationskonzept. Maxforce® Platin enthält den Wirkstoff Clothianidin in einer optimierten Ködermatrix, welche aus komplexen Kohlenhydraten (anstatt Einfachzuckern) und pflanzlichen Proteinen (nicht tierische Proteine wie bei so vielen anderen Ködergelen) zusammengesetzt ist. Zusätzlich enthält die Matrix dieselben blauen Kapseln mit Fraßstimulanzien, welche schon in Maxforce Fusion zum Einsatz kamen. Im Wechsel mit z. B. Maxforce® Prime erlaubt dieses neue Produkt eine Rotation des Wirkstoffes und der Matrix. Die zukünftige Wirksamkeit von Ködern gegen Blattella germanica kann natürlich nicht garantiert werden, aber Hersteller und Anwender können durch das Konzept der zweidimensionalen Rotation einen wertvollen Beitrag dazu leisten, diese wichtige Produktgruppe noch lange Zeit am Leben zu halten.